Nachbericht Kellergespräche mit Reinhold Messner
“Wer mit sich selbst nicht klarkommt, ist eine Zumutung für die anderen.”
(Reinhold Messner)
Der Abend im suggestiven Barriquekeller des ANSITZES FREIENFELD mit Reinhold Messner war eindeutig eine Bereicherung für alle Besucher, die nach dem Vortrag in direktem Dialog mit dem Visionär, Extrembergsteiger, Abenteurer, Buchautor, Museumsgründer und ehemaligem Mitglied des Europäischen Parlaments treten durften.
Das Leben Reinhold Messners ist ein Beispiel eines GELUNGENEN LEBENS, ein Leben, in dem der Mensch aus seiner Leidenschaft ins Tun kommt und in den verschiedenen Lebensabschnitten genau das tut, was seinen maximalen physischen und mentalen Fähigkeiten des Moments entspricht.
Sein LEBENSWERK ist er selbst, sein Wesen, Sein und Tun. Ja, Reinhold Messner ist zu einer “Marke” geworden, doch diese Marke war er nicht immer. Er hat “einfach nur geklettert”, wie er sagt. Er wollte sehen, was über dem Horizont des engen Villnössertals war und so kletterte er schon als junger Bub die Berge hinauf, um eine Weitsicht für die Welt zu bekommen.
Wenn er von seiner Kindheit in der Nachkriegszeit in den 50er-Jahren erzählt, die von einem einfachen und zufriedenen Leben gezeichnet war, hört man ein klein bisschen Nostalgie einer besseren Welt in seiner Stimme. Jeder war gleichgestellt, es gab keinen Neid zwischen den Menschen, jeder lebte sein Leben und gab sein Bestes. Trotzdem und gleichzeitig findet er all die Erneuerungen und Errungenschaften der letzten Jahrzehnte faszinierend und wichtig, jedoch mit einem nüchternen Blick auf alle Vor- und Nachteile. Er spricht über die Klimaerwärmung, über einen respektvollen Umgang mit der Natur, über Nachhaltigkeit, Entschleunigung, Landwirtschaft, Tourismus und Leadership.
Der Vortrag mit Fotos und seinen Erzählungen – Reinhold Messner ist ein faszinierender Geschichtenerzähler, denn es sind GELEBTE GESCHICHTEN und gerade deshalb sind sie so lebendig und greifbar – ziehen das zahlreiche Publikum im Barriquekeller des Ansitz Freienfelds in den Bann. Dieser stimmungsvolle Ort eignet sich hervorragend für einen Geschichtenerzähler wie Messner, der uns mit seiner Geschichte und seinem Tun ein Fenster zur Welt öffnet. Ein Fenster zu einer (Berg)-Welt, die viele von uns nur von Fotos oder Filmen kennen, die die Pioniere wie er zum ersten Mal erklommen haben und somit eine Bereicherung fürs Vorankommen der Menschheit brachten.
Es geht nicht nur um die Besteigung der 8.000er, sondern um eine ÜBERWINDUNG der physischen und vor allem der mentalen und psychischen GRENZEN. Wenn Messner erzählt, dass Ärzte „Kontrollen“ seines Körpers durchgeführt haben, um zu „messen“, ob er eine “übermenschliche gesunde und starke Natur” habe, so verneint er es. Sein Körper ist “mittelmäßig normal”, er hat allen Zweifeln und Aussagen der Ärzte getrotzt und die Besteigung der 8.000er ohne Sauerstoff geschafft. Dies ist Zeichen einer unglaublichen starken mentalen Kraft!
Doch was ist es, dieser innere Drang, diese Energie, die die Menschen antreibt, bei minus 50 Grad Kälte und allen widrigen Zuständen zu trotz in die Wildnis aufzubrechen, ohne zu wissen, lebend zurückzukehren?
Messner hat seinen Bruder am Berg verloren und doch ging er immer weiter. Was ist es? Fragen wir ihn. Jeder Bergsteiger weiß, dass er bei den Touren sein Leben riskiert und dass er sterben kann, wenn er nicht zu 100 % konzentriert ist. Es ist die Faszination. Eine Bergtour ist nämlich immer erst dann zu Ende, wenn man auch den Abstieg geschafft hat und lebend vom Berg wieder runterkommt.
Ich persönlich liebe es, PERSÖNLICHKEITEN und CHARAKTERSTARKE MENSCHEN kennenzulernen. Sie zeigen anderen, dass alles möglich ist, wenn man nur die mentale Kraft richtig einsetzt und mit Ausdauer, Motivation und voller Konzentration ein ZIEL verfolgt. Im Falle Messners sind Erfahrung, Ausdauer und Leidensfähigkeit zum Erreichen eines Zieles wichtig.
Im HIER UND JETZT sein ist das Rezept für ein gelungenes Leben, und im Berg fürs Überleben. Die Konzentration bringt uns in einen Flow-Zustand. Wenn Ideen dann zu Projekten gemacht werden, entsteht während des Tuns ein gelungenes Leben. “Glück ist, wenn wir ganz bei der Sache sind”, so Messner.
Messner spricht auch von der SINNHAFTIGKEIT, die der Mensch in sein TUN hineinlegt.
Er spricht auch von der Relativität der Nützlichkeit einer Sache. Ist es nützlich, monatelang durch eine Eiswüste zu wandern? Ist es nützlich, Autos zu bauen?
Menschen wie Messner zeigen uns, dass alles möglich ist, man muss es nur versuchen.
Die MENTALE KRAFT entscheidet, was wir tun und wie weit wir kommen. Die Berge, die es wirklich zu versetzen gilt, sind in unserem Innersten. Die MOTIVATION kommt in dem Moment, in dem wir uns mit unseren Projekten identifizieren.
Messner ist ein zäher und beharrlicher Visionär. Er verwirklicht immer wieder NEUE PROJEKTE, die der Natur, den Energien, des Alters und den Möglichkeiten seines Menschseins entsprechen. Jeder altert, es ist nur wichtig, das Beste in jedem Moment zu machen.
Mit jungem und starkem Körper war Messner Vertikalkletterer, machte dann Bergtouren auf die höchsten Gipfel der Welt und danach die Reisen durch die Arktis und Antarktis. Er erzählt uns von seinen Abenteuern im Packeis und davon, dass er nie die Notwendigkeit gesehen habe, schwimmen zu lernen, was auf dünner Eisschicht doch leicht riskant sein kann.
Nach den vielen unzähligen lebensbereichernden Erfahrungen und Erlebnissen am Berg eröffnet Messner die sieben MMM Messner Mountain Museums, um die Berggeschichten zu erzählen und all jenen nahe zu bringen, die diese Berge selbst nicht besteigen. Ein MUSEUM ist etwas Wunderbares. Es bringt den Menschen Welten nahe, die sie nicht kennen: materielle und immaterielle Zeugnisse der Menschen und ihrer Umwelt werden hier bewahrt, erforscht und ausgestellt. (Def. ICOM – Internationaler Museumsrat)
Das Eintauchen in diese Welt ist eine Bereicherung für all unsere Sinne. Messner hat außerdem viele Bücher geschrieben, die Ansporn und Motivation für viele Menschen sind.
Messner spricht auch über VERÄNDERUNG, welche notwendig und wichtig ist, um zu wachsen. Jeder Lebensabschnitt ist wie eine “Vorstufe”, eine Evolution zu den Schritten, die danach kommen. Alles geschieht zu seiner Zeit, wir müssen dem Leben nur VERTRAUEN. So sieht Messner das Scheitern als positiv, es ist ein Wendepunkt und eine wertvolle Erfahrung für den nächsten Schritt.
Während der Kellergespräche entstand ein interessanter DIALOG MIT DEM PUBLIKUM, welches Fragen verschiedenster Natur stellten: Fragen über die Sinnhaftigkeit, das Gefühl und die Emotionen am Berg und die Einsamkeit, aber auch Fragen politischer Natur oder wie er zu seinem ersten Porsche kam.
Eine Frage, die in mir brannte, war:
Woher kommt dieser INNERE DRANG, diese UNBÄNDIGE ENERGIE, sich trotz aller Widrigkeiten und Schicksalsschläge immer wieder in Lebensgefahr zu bringen? Jeder Extrembergsteiger kennt das Risiko und hat, wie Messner selbst, auch Menschen am Berg verloren. Woher kommt also diese starke Energie?
“Es ist die Faszination. Die Leidenschaft. Je schwieriger etwas ist, das wir anpacken, umso mehr Energie bekommen wir zurück, wenn wir es tun. Und dabei Überleben, das ist die Kunst am Berg. Wenn du nicht überlebst, ist es keine Kunst mehr, dann brauchst du es nicht zu tun. Die Kunst zu überleben ist der Reiz. Du weißt bei jeder Tour: Hier musst du lebend wieder runterkommen.”
Wie ist es mit der EINSAMKEIT in den Bergen oder in der Eiswüste?
“Wenn ein Mensch mit sich selbst nicht klarkommt, ist er eine Zumutung für Andere. Ich habe Jahre gebraucht, um das zu lernen.”
Es gab auch Fragen politischer Natur, wobei Messner einen klaren Blick auf das Weltgeschehen, aber auch die lokale Situation anspricht, z.B. das Zusammenspiel von Landwirtschaft und Tourismus. Es soll viel Wert auf die Landwirtschaft gelegt werden soll, da der Bauer derjenige ist, der das Landschaftsbild im Tal mit dem Wein- und Obstbau und der Bergbauer mit der Viehwirtschaft das Landschaftsbild pflegen, welches wiederum dem Tourismus zugutekommt. Messner hat auch aktuelle Anliegen wie beispielsweise das Thema des neuen Landesraumordnungsgesetzes angehört.
Es war auch die Frage im Raum, wie ein junger Bub aus dem Villnössertal zur Marke Messner werden konnte, dazu sagt Messner: “Ja, ich bin eine Marke, aber das war nicht immer so. Als ich 18 war, wollte ich einfach nur klettern.”
Aus der Leidenschaft und dem Enthusiasmus entsteht also das Tun. Durch das Tun formen wir unser Sein, unsere Persönlichkeit, unser Charakter entsteht und wir entwickeln uns und wachsen mit dem Tun. Dadurch entsteht dann die Marke. Doch am Anfang steht immer die LEIDENSCHAFT und das TUN.
Zusammenfassend möchte ich sagen, dass ein GELUNGENES LEBEN darin bestehen kann, die persönlichen Ideen zu Projekten zu machen, dem inneren Drang zu folgen, die Dinge zu tun, die man liebt, ohne sich von äußeren Meinungen und Umständen beeinflussen zu lassen und seinen eigenen Weg zu gehen. Wenn jeder Mensch seinen innersten Leidenschaften folgen und diese tun würde, gäbe es mehr Charakter, Persönlichkeiten, Wachstum, inneren Frieden und Zufriedenheit auf dieser Welt. Davon bin ich überzeugt.
Messner ist einer jener Menschen, der uns mit seinem Leben zeigt, was möglich ist, wenn der Mensch seiner inneren Stimme folgt, seiner ganz persönlichen Leidenschaft folgt und im Tun in einen Flow-Zustand gelangt, der absolute Konzentration verleiht und somit das (Über)-Leben sichert und das Leben richtig fühlen lässt.
Jeder Mensch hat seine Leidenschaften und Talente und so wie Messner sagt: „Wenn du dich vergleichst, bist du bereits auf dem Holzweg”, sollte sich wirklich jeder Mensch bewusstwerden, was ihn fasziniert und lebendig fühlen lässt, denn nur so ist ein gelungenes Leben möglich.
(Margit Pittschieler)